König Drosselbart

König Drosselbart, von Sascha Löschner

Kritik tut Not: 326 Bewerber hat Prinzessin Vanessa beim Bräutigam-Casting schon abblitzen lassen und zu Recht kritisiert: Fürst Schönburg entlarvt sie als habgierigen Egoisten und Ritter Spygate als tyrannischen Überwachungsfreak. Mit Despoten und Ausbeutern will sie nichts zu tun haben und wehrt sich daher auch gegen Nr. 327, den freundlichen Mann mit dem Spitzbart, den sie nicht kennt. König Drosselbart gefällt ihre widerspenstige, freche und emanzipierte Art sehr – als einzigem. Alle anderen erwägen sich kriegerisch für die erlittene Schmach zu rächen. Der König, gernevt von der Eigenständigkeit seiner Tochter, bestraft sie: Er wird sie mit dem ersten Spielmann verheiraten, der vors Schloss tritt. König Drosselbart sieht seine Chance und erkennt ihre Schwächen. Er möchte sie heiraten, doch ihr auch Bodenhaftung zurück geben. Er hofft auf ihre Vernunft – und verkleidet sich als Spielmann.

Als Frau des Spielmanns lernt sie das wahre Leben und seine Mühen kennen und nach und nach legt sie ihre Allüren ab: Jetzt muss sie selbst für Nahrung und Geld sorgen und erlebt, wie hart man dafür arbeiten muss – zuletzt sogar als Küchenmagd in einem Schloss. So lernt die Prinzessin selbst Kritik anzunehmen und versteht ihr Volk. Dafür wird sie schließlich mit einer zweiten Chance und einem märchenhaften Happy-End belohnt.

Der Märchen-Klassiker nach den Brüdern Grimm besticht in Sascha Löschners Bearbeitung durch seine Aktualität und den neuen Blick auf die Figuren der Prinzessin und Drosselbart: Die Prinzessin ist kritisch, freiheitsliebend und wehrhaft. Sie will einen Mann, der wahrheitsliebend ist und verständnisvoll regiert. König Drosselbart ist warmherzig und klug. Er sucht eine unabhängige, starke Frau, die geerdet ist. Löschners Fassung kommt ganz ohne das Grimmsche "beugen" des Willens der Prinzessin aus und zeigt, dass Kritikfähigkeit, persönliche Freiheit und Nächstenliebe zusammengehören.

Ein höchst modernes Märchen für Groß und Klein – das die Kritikfähigkeit, Unabhängigkeit aber auch Nächstenliebe und Sanftmut ins Zentrum rückt.

  • 16. Juni 2019
    Feste Rosenberg, Kronach
    Regie: Stephanie Kuhlmann

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