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Anders sein heißt nicht, falsch zu sein – Mitteldeutsche Zeitung

Zum Stück: Das hässliche junge Entlein
24. Oktober 2019

BÜHNEN HALLE Das Thalia-Theater überzeugt mit Märchen-Adaption.

VON ANDREAS MONTAG

HALLE/MZ - Anders sein kann ein Problem sein. Immer noch, obwohl unsere Gesellschaft sich viel darauf zugute hält, modern und aufgeklärt zu sein. Die Toleranz wird von der durchschnittlichen Mitte behauptet, aber an den Rändern oft nicht gespürt.

Ein Problem, das nicht nur Menschen anderer Herkunft, Religion oder Hautfarbe betrifft, sondern auch Jugendliche, die sich ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität noch nicht sicher sind. Ein heikles Thema. Sofort fallen einem die Extremfälle religiöser Fundamentalisten (Christen wie Muslime) ein, die sich aufgerufen fühlen, „verirrte Schafe“ mit moralischem Druck und psychischer Gewalt auf den angeblich richtigen Weg zurückführen. Auch wo es nicht so weit kommt - in vielen Fällen fühlen sich die Suchenden verunsichert und allein gelassen. Davon erzählt die Inszenierung „Das hässliche junge Entlein“ des Thalia-Theaters Halle, die im Schaufenster der Kulturinsel gezeigt wird.

Katharina Brankatschk hat das auch für Erwachsene sehenswerte Kinderstück nach Motiven des Märchendichters Hans Christian Andersen geschrieben und inszeniert, Hagen Ritschel spielt die Hauptrolle des Jungen Christian, der nicht so wie die Mehrheit ist und deshalb von seinen Mitschülern gehänselt und geschnitten wird. Dabei kann er sich selbst noch kaum eingestehen, dass er lieber ein Mädchen sein möchte. Und er wäre am liebsten tot. Christian hockt verzweifelt an einem Badesee, wo er auf drei wunderliche, aber freundliche Erwachsene trifft, die ebenfalls Außenseiter sind. Eine wichtige Erfahrung zumal für das junge Publikum, das auch den Marschtritt der Masse schon als „das Normale“ erlebt haben wird – bewusst oder unbewusst. Geschickt „wandert“ die Inszenierung von der Gegenwart ins

Märchen vom hässlichen Entlein, wobei sich beide Ebenen fabelhaft ergänzen. Dies nicht zuletzt dank des großartigen Spiels des kleinen Ensembles, zu dem neben Hagen Ritschel auch Axel Gärtner, Florian Krannich und Enrico Petters gehören. Wenn sich am Ende der einstündigen Vorstellung das anfangs verachtete, verlachte und ausgegrenzte Entlein zum stolzen Schwan gemausert haben wird, liegt das vor allem an seiner eigenen Stärke. Und an denen, die ihm dabei halfen, zu sich selbst zu finden.

In der Mitte lockt der Kompromiss – Darmstädter Echo

Zum Stück: Drunter & Drüber
15. April 2019

Theater Lakritz zeigt das Clownstück "Drunter und Drüber" auf der Mollerhaus-Bühne

von Stefan Benz

 DARMSTADT - Es ist nur ein Clownsspiel über Rechthaberei, aber man könnte es sich in diesen Tagen auch gut als Lehrstück für politische Knallköpfe denken. Theater Lakritz zeigt „Drunter und drüber“ von Jörg Wolfradt: Zwei Rotnasenclowns können sich beim Spiel mit bunten Bauklötzen auf ihrer Zirkusmanege nicht einigen. Ist voll oder leer besser? Dick oder dünn? Klein oder groß? Kommt drauf an, lautet die Erkenntnis dieser Relativitätslektion. Nach einer guten halben Stunde auf der Bühne im Theater Mollerhaus kommen die beiden Clowns denn auch darauf, dass der Kompromiss in der Mitte liegen mag.

In Zeiten extremer Positionen, da es an den politischen Rändern immer schriller wird, klingt dieses Stück für die Kleinen ab vier fast schon wie ein Appell an die Großen. Denkt man sich zumindest als Erwachsener, während man hinten im Parkett des Theaters sitzt und zuschaut, wie Anna und Julia Lehn die Knirpse auf den Sitzkissen um sie herum bespaßen.
Björn Lehn, Theaterpädagoge am Mollerhaus und seit bald 20 Jahren mit Theater Lakritz im Spiel, hat für diese Inszenierung den niederländischen Clownlehrer Tom Kurstjens als Co-Regisseur dazugeholt. Schwester Anna Lehn – mit Mütze, Weste und Maßband eher der männlich-bräsige Typ – und Ehefrau Julia Lehn als trippelnder, tänzelnder weiblicher Widerpart bestreiten das Duett anfangs mit Klamauk ohne Worte wie bei Laurel und Hardy. Wobei sie nicht so verschieden sind wie Dick und Doof. Die Gegensätze entwickeln sich mehr aus dem Spiel heraus. Ob man nun über eine Brücke laufen oder drunter krabbeln soll, ob Salat nun besser ist als Käsebrot.

Im Kinderspaß steckt ein Lehrstück für Politclowns
Anders als die Politclowns, die man abends in den Nachrichten sehen kann, verzanken sie sich dabei nicht allzu arg. Schließlich wollen sie am Ende ja auch noch mit ihren munteren kleinen Zuschauern auf dem Bauklotz-Parcours spielen. Wer sich auf die Mitte verständigt, kann eben auch mitmachen. Schaut allerliebst aus.
Geht doch, denkt man sich auf seinem Platz im Hintergrund. Jetzt, da der Europawahlkampf losgeht, wäre „Drunter und drüber“ bestimmt auch ein pädagogisch wertvolles Mitmachstück für Krawallpolitiker, die mal von ihren Extrempositionen runterkommen sollten. Da würden die Wähler aber Bauklötze staunen.

Premiere im WTT: "Die weiße Rose - lebt" – Remscheider General-Anzeiger

Zum Stück: Die Weiße Rose - lebt
24. Februar 2018

von Sabine Naber   

Auch 75 Jahre nach der Hinrichtung der Geschwister Sophie und Hans Scholl, die beiden jungen Widerstandskämpfern gegen das Nazi-Regime, passt ihre Geschichte in die Gegenwart. 

Eine beeindruckende Premiere erlebten die Gäste im gut gefüllten Theatersaal des Westdeutschen Tourneetheaters an der Bismarckstraße am Freitagabend. Günther Bredens knapp einstündiges Klassenzimmerstück „Die Weiße Rose – lebt“, unter der Regie von Björn Lenz, wurde gespielt und von den beiden Absolventen der Schauspielschule Margaux Tiltmann und Matthias Knaab. Ihnen gelang es durch ihr authentisches Spiel, den Spannungsbogen bis zuletzt hoch zu halten. „Hoffentlich ist das hier bald vorbei. Ich bin im Abi und muss lernen“, erklärt Matti und wartet gelangweilt auf seine Klassenkameradin Sophie.

Sie hat ein Stück über Sophie und Hans Scholl geschrieben. Genauer gesagt über die letzten Minuten der beiden Protagonisten der Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ in ihrer Todeszelle.  Ausschlaggebend dafür war der Rechtsdruck an ihrer Schule, den sie bei der Umbenennung in „Geschwister-Scholl-Schule“ gespürt hatte. Man solle sie doch besser „Deutschland-Schule“ nennen und die Geschwister Scholl seien doch kriminell gewesen, hatte es aus dem Kreis der Mitschüler geheißen. In Rückblenden wird die Geschichte der Geschwister, die am  22. Februar 1943 hingerichtet worden waren, erzählt.  

Ein Bühnenbild oder Requisiten waren dafür nicht nötig. Nur eine Tafel, auf die Hans Scholl mit Kreide das Goethe-Zitat „Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten“ schreibt. Und während Sophie immer wieder Parallelen zur Gegenwart sieht, geht das alles Matti nicht sonderlich nahe. Denn eigentlich macht er bei diesem Stück nur mit, um „der süßen Sophie“ nahe zu sein, nachdem ihm seine Freundin aus Eifersucht „eine geschallert“ hatte. Und überhaupt:  "Diesen alten Rotz will doch keiner hören.“

„Es ist so ein herrlich sonniger Tag. Und wir sollen sterben“, sagt Sophie und fängt an zu singen „Die Gedanken sind frei“. Man hätte minutenlang eine Stecknadel fallen hören können, nachdem sie entschlossen verkündet: „Es fallen so viele für das System. Es wird Zeit, dass mal jemand dagegen fällt.“ Nach den einzelnen Szenen kehren Sophie und Matti wieder in die Gegenwart und gedanklich auch zu ihrem Geschichtslehrer, in dessen Aktentasche Sophie rechtslastige Zeitungen entdeckt hat, zurück.

„Wir müssen ihn anzeigen“, schlägt sie vor. „Bist du verrückt“, schreit Matti sie an. Wenn du das tust, hast du alle Lehrer gegen dich. Und mit der Abi-Note kannst du dann nicht Medizin studieren können.“  „Wir haben keine NS-Verhältnisse in Deutschland. Aber sie kriechen wieder aus ihren Löchern“, heißt das Fazit von Sophie. Tiltmann und Knaab gelingt es durch ihr intensives Spiel, die Angst der Geschwister vor dem Tod ohne Pathos darzustellen. Aber auch ihren Mut und ihre Entschlossenheit dass es richtig ist, für seine Überzeugungen einzutreten. Sehenswert.