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Zwischen Zuneigung und Pflichterfüllung – Märkische Oderzeitung

Zum Stück: Der Weibling
18. April 2013

Berlin-Premiere am Magma Theater Spandau

Berlin (MOZ) Eine innige Umarmung, ein zärtlicher Kuss - der junge Kronprinz Friedrich sucht Trost in den Armen seines Freundes Leutnant von Katte. Noch ist er nicht der Soldatenkönig, leidet unter der geistigen und körperlichen Gewalt seines Vaters, verliert sich in der Musik, Literatur und philosophischen Gesprächen. "Fleiß, Pflichterfüllung, Sparsamkeit und Disziplin sollt Ihr lernen", ist das Geheiß Friedrich Wilhelms I. Verächtlich nennt er seinen Sprössling "Weibling", züchtigt ihn. "Das, was ich immer befürchtet habe, ist mir nun zur Gewissheit geworden. Der Vater hat gänzlich vergessen, dass ich sein Sohn bin", so der verzweifelte Fritz zu Katte. Eine Flucht der beiden missglückt. Grausiger Höhepunkt: Friedrich wird gezwungen, die Hinrichtung seines Geliebten mit anzusehen.

Die Stückvorlage zu "Friedrich - Kronprinz wider Willen - Der Weibling" von Uwe Seidel, zeigt nicht den großen Kriegsherren, sondern konzentriert sich auf die widersprüchliche Vater-Sohn-Beziehung. Hadernd zwischen Zuneigung und Pflichterfüllung: "Du sollst dich nicht fürchten. Du sollst mich lieben, du Kanaille". Ein modernes Thema, was diese Neuinszenierung vom Berliner Magma-Theater unter der Regie von Jana Lose von so manch anderer angestaubten Friedrich-Aufführung abhebt. Die Sprache, klar verständlich für Heranwachsende. Nicht grundlos wurde Autor Seidel mit einem Kinder- und Jugendpreis für die Bearbeitung des historischen Themas ausgezeichnet.

In dem sparsamen Kammerspiel, bei dem alle Akteure permanent auf der Bühne sind, wird die Homosexualität Friedrichs ohne Effekthascherei gezeigt. Der 22-jährige Tobias Frieben spielt ihn voller Neugier und Naivität. "Er provoziert seinen Vater, bäumt sich auf, um am Ende dann doch in seine Fußstapfen zu treten", sagt Frieben. Eine beklemmende Atmosphäre zieht sich durch das rund 90-minütige Stück: Schallende Ohrfeigen Friedrich Wilhelms I. (Stephan Kowalik) lassen die Zuschauer zusammenzucken, gleichermaßen wenn Königin Sophie Dorothea (Brigitte Reither) kühl über ihren Nachwuchs urteilt: "Gott bewahre alle rechtschaffenden Eltern vor ungeratenen Kindern".

Zwei Eisenhüttenstädter gehören zum sechsköpfigen Ensemble. Friedrichs Schwester Wilhelmine verkörpert Vera Swenshon. Selbst verliebt in Katte trifft sie mit angemessener Bestimmtheit immer den richtigen Ton - ihren Bruder unterstützend oder das Tun ihres Vaters mit scharfen Worten entlarvend. "Wenn ich einmal heirate, dann halte ich mir einen guten, wohlbesetzten Tisch, der sicher reichhaltiger sein wird als dieser hier." Jonas Pietsch über seine Rolle des Katte: "Auf der einen Seite ist der hörige Soldat, der dem König dienen möchte. Auf der anderen Seite die Liebe zu Fritz. Diese Ambivalenz macht es sehr spannend." Auch wenn das Friedrichjahr bereits vergangen ist, lohnt ein Besuch im Spandauer Kulturhaus. Unaufgeregt wird der Fokus auf die wohl prägendste Phase Friedrichs' Lebens gelegt und Geschichte für ein junges Publikum zugänglich gemacht.
Vorstellungen: 20., 21., 26.-28.4.2013, Kulturhaus Spandau, Berlin-Spandau, Mauerstraße, www.kulturhaus-spandau.de

Die Leiden des jungen Kronprinzen – Berliner Woche

Zum Stück: Der Weibling
15. April 2013

Die Leiden des jungen Kronprinzen

Spandau. "Friedrich - Kronprinz wider Willen" heißt die neue Produktion des Magma Theaters Spandau, die am 12. April im Kulturhaus Spandau Premiere hatte.

Die Geschichte ist bekannt, und im vergangenen Jahr aus Anlass des 300. Geburtstags von Friedrich dem Großen wurde sie immer wieder erzählt: Der junge Kronprinz leidet unter seinem Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der in den musischen Neigungen seines Sohnes eine Gefahr für dessen Eignung als künftiger Monarch sieht. Friedrich versucht eine Flucht und wird erwischt. In Küstrin muss er der Hinrichtung seines Freundes und Fluchthelfers, des Leutnants Katte, zusehen.

Regisseurin Jana Lose hat für die Magma-Inszenierung Uwe Seidels Stück "Der Weibling" bearbeitet. Dafür hatte der Autor 2002 das Paul-Maar-Stipendium des Kinder- und Jugendtheaterzentrums der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Das Stück zielt auf einen fast zeitlosen Vater-Sohn-Konflikt: Der ruppige Vater wünscht sich die Liebe seines Sohnes, die dieser nicht geben kann, weil er sich von diesem missverstanden fühlt. Der Bruch des Sohnes mit dem Vater kommt auch durch die homosexuelle Beziehung des Kronprinzen zu Leutnant Katte.

Das Bühnenbild besteht aus wenigen Stühlen und Tischen, die Dialoge sind meist Konfrontation zweier Personen. Hier zeigt sich die Stärke der Schauspieler: Tobias Frieben ist der einfühlsame, nach Bildung lechzende Kronprinz, der sich immer wieder Ohrfeigen seines Vaters (Stephan Kowalik) einfängt. Doch Kowalik gestaltet seinen Friedrich Wilhelm I. nicht nur als stumpfsinnigen Gewaltmenschen, sondern als einen um seinen kleinen Staat besorgten Monarchen, der manchmal Rat im einfachen Gebet sucht. Damit kommt er der historischen Wahrheit ein Stückchen näher als die Anekdoten vom brutalen Schläger, den die Homosexualität seines Sohnes zu noch mehr Grausamkeit anstachelt.

Jonas Pietsch gestaltet Katte nicht nur als Friedrichs besten Freund, sondern auch als Soldat, der seine Karriere bei Hofe im Blick hat. Vera Swenshon als Schwester Friedrichs und Brigitte Reither als Friedrichs Mutter leiden unterschiedlich an dem Vater-Sohn-Konflikt, der erst in die Katastrophe führt und dann doch den Kronprinzen zu Friedrich dem Großen werden lässt.

Mutter Furie – http://theaterpur.net

Zum Stück: Mutter Furie
06. Juni 2012

Mit Messer und Apfel

von Dietmar Zimmermann

„Lützen 1632. Frankreich 1870. Stalingrad 1943. Deutschland 1945. Algerien 1961. Irak 1990. Sarajevo 1994. Kenia 2012… - Es ist Krieg. Immer. Irgendwo … Irgendwann.“ So beginnt der Text auf dem Werbe-Flyer der Studio-Bühne Essen für die Produktion. Guy de Maupassants Novelle spielt im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, aber die Bearbeitung der Travelling Light Theatre Company aus Bristol, die der Essener Aufführung zugrunde liegt, geht zu Recht von einer Allgemeingültigkeit des Geschehens aus: Ein Dorf wird im Krieg besetzt, und die einzelnen Familien bekommen feindliche Soldaten zugeteilt, die bei ihnen wohnen werden. In diesem Fall wird eine Mutter, deren Sohn selbst eingezogen wurde, einen jungen Soldaten beherbergen. Die beiden sprechen unterschiedliche Sprachen und verstehen einander nicht, sind aber gezwungen, miteinander auszukommen. Eine brisante, psychologisch interessante Konstellation.

Wie sie endet, erleben wir an der Studio-Bühne in einer Art Prolog gleich zu Beginn der knapp neunzigminütigen Aufführung. Eindringlich schildert Kerstin Plewa-Brodam als „Mutter“ die Durchlöcherung ihres Körpers, die einzelnen Körperteile und Organe, die von Kugeln getroffen werden. „There’s nothing left to breathe“, stöhnt andererseits Stephan Rumphorsts „Soldat“: „Why did you kill me?“ – Der Krieg wird also zwei weitere Tote hinterlassen haben. Warum und wie es dazu kommt, wird spannend zu beobachten sein.

Die Aufführung wird von der neuseeländischen Theaterwissenschaftlerin, Dozentin und Regisseurin Bronwyn Tweddle inszeniert, die derzeit eine Art Sabbatical in Deutschland absolviert. Tweddles Theater, so hatte Stephan Rumphorst bereits im Vorfeld der Premiere geäußert, wirke vorrangig durch Gesten und Bewegungen; dies stehe durchaus im Widerspruch zu seiner bisherigen eigenen Spielweise. Nun: Es funktioniert hervorragend.

Reines Körpertheater, ein choreographisch dargestellter Kampf zur Trommelmusik von Heiko Salmon, der die einzelnen Szenen mit Gitarre und Akkordeon begleitet und gliedert, beschreibt die erste Konfrontation der beiden Protagonisten, als der Soldat erstmals das Haus der Mutter betritt. Kurze verbale Szenen stehen langen stummen Passagen gegenüber; eine reduzierte Sprache und langsame Bewegungen verstärken die Intensität der Inszenierung. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Mutter und Soldat wird nahezu ausschließlich über Gesten dargestellt: Automatisch wird der Zuschauer dadurch zu großer Empathie mit den Figuren und zu genauer Beobachtung gezwungen. Ganze Tagesabläufe werden ausschließlich pantomimisch geschildert – da wirkt es dann umso berührender, wenn nach langem, langem Schweigen die Mutter mit einfachen Worten zu erzählen beginnt: „Sie brachten ihn herein. Meinen Mann. Er war tot.“ Nuancen nehmen wir wahr: die tiefe innere Verunsicherung des Soldaten, der sich wider besseres Wissen einzureden versucht, dass es richtig ist zu töten: „for my country“; das Lauernde in den Blicken der Mutter, die den Soldaten kaum aus den Augen lässt aus Angst, etwas falsch zu machen. Wir spüren, da sind zwei verunsicherte, gutwillige Menschen, die voller Misstrauen gegeneinander sind und ihr Verhältnis nicht klären können, denn sie verstehen einander nicht. In Tweddles Inszenierung wird diese Sprachdifferenz sinnfällig deutlich gemacht, denn Rumphorst spricht nur englisch und Plewa-Brodam deutsch – so haben denn doch nicht nur Gestik und Mimik, sondern auch die Sprache exemplarische, symbolische Bedeutung. 

Spannung entsteht aus winzigen Momenten, durch das Auftauchen kleiner Requisiten: Wird die Mutter den Schnaps mit dem Soldaten teilen, wird der Soldat ihr von dem mitgebrachten Apfel abgeben? Ein Messer zum Möhrenschneiden kann auch zur Mordwaffe werden. Es ist ein etwas größeres Küchenmesser – vor unserem geistigen Auge wirkt es überlebensgroß, wie auch der Apfel: Messer und Apfel evozieren Angst und Hungergefühle. Langsam, ganz langsam wächst Vertrauen, später Vertrautheit zwischen den Personen, ungeheuer sensibel wird die Entwicklung der Charaktere, die im Schneckentempo voranschreitende Entspannung der Situation dargestellt. Nach 45 Minuten erscheint erstmals ein Lächeln auf dem Gesicht des Soldaten, und es gibt eine Annäherung durch ein gemeinsames Spiel – doch das Messer bleibt zwischen Mutter und Soldat. Der Soldat berichtet von einem traumatischen Erlebnis. Und das Spiel, wir wissen es ja aus der Eingangsszene, wird irgendwann in Ernst ausarten. Noch wird die Beziehung zwischen Mutter und Soldat wachsen, zu Sympathie werden, sogar Spott aushalten. Im Publikum können wir gar nicht glauben, dass das, was wir zu Beginn gesehen haben, das Ende sein wird.

Von all dem übrigens, von dem Messer und dem Apfel, von den Ängsten und Verunsicherungen bei Mutter Furie und dem Soldaten, von den sensibel erzählten psychologischen Entwicklungen – von all dem steht nichts in Maupassants diesbezüglich eher lakonisch erzählter Geschichte. Manches steht in der vom Travelling Light Theatre für die Uraufführung im Jahre 2006 erarbeiteten Fassung. Aber ganz vieles von dem, was uns in dieser kreativen, von der ersten Minute an hochspannenden Aufführung fasziniert und berührt, ist der Regie von Bronwyn Tweddle und den herausragenden Schauspielern zu verdanken. Das kleine Theater in Essen-Kray hat ein echtes Highlight im Programm.

Kurz und bündig

Eine ganz auf die Wirkung von Gesten und Blicken vertrauende Aufführung, die psychologisches Theater mit konzeptionellem Theater verbindet