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Presse - Tim Sandweg
Das Abschiedslied der Meerjungfrau verzaubert im Theater – Westfälische Rundschau
20. Januar 2020
Die Junge Bühne Hagen erzählt eine Geschichte vom Tod: Ganz behutsam und mit großartigen Akteuren
von Monika Willer
Hagen. Überlebensgroß hängen die Kleider der Mutter von der Decke der Bühne. Geheimnisvoll schillert der Stoff, faszinierend winden sich die langen Schleppen wie Fischschwänze über den Boden. Philipps Mutter ist zwar abwesend, doch ihr Lied ist in jeder Minute präsent. Wie geht man im Jugendtheater mit den Themen Tod und Verlust um? Anja Schöne und ihr Team beantworten am Theater Hagen diese Frage in dem Stück "Die Meerjungfrau in der Badewanne" mit viel Poesie und Humor. So entsteht ein wunderbares, trauriges und gleichzeitig urkomisches Märchen, das auch Erwachsene trösten und versöhnen kann.
Regisseurin Anja Schöne macht in Hagen Kinder- und Jugendtheater auf hohem Niveau mit einer eigenständigen ästhetischen Handschrift. Bewusst verzichtet die junge Regisseurin darauf, sich der digitalen Bilderflut anzubiedern, stattdessen liebt sie reduzierte Räume und die Arbeit mit wenigen, sprachmächtigen Objekten. So liegt über ihren Stücken häufig ein Zauber, eine besondere Magie. Und Anja Schöne holt herausragende junge Schauspieler nach Hagen.
Stefan Merten gehört dazu. Er ist Philipp, der Junge mit den Geheimnissen, dessen Mutter kurz nach seiner Geburt ihren Meerjungfrauenschwanz aus dem Schrank nahm und in der See verschwand. Das Publikum verfolgt mucksmäuschenstill, wie sich Philipp das Unbegreifliche begreifbar zu machen versucht, nämlich, dass er keine Mama mehr hat, wie er Rituale ersinnt, mit wissenschaftlicher Neugierde den Garten umgräbt, um zu überprüfen, ob die Mutter dort begraben liegt, wie er Freunde findet oder erfindet, und Alltagsobjekte zum Klingen bringt.
Ein Sprachkünstler
Der Kölner Schauspieler ist ein virtuoser Sprachlünstler, der sehr gut singt. Er kann mit seiner Stimme das Publikum in andere Welten versetzen, mehr noch, er verleiht jeder Figur im Stück eine eigene Stimme, der kecken Klassenkameradin Doro, der schwarzen Witwe und der Mutter von Baby Martha. Gleichzeitig legt Stefan Merten die Rolle mit vollem Körpereinsatz an. Und er spielt mit der Sprache, denn Philipp denkt sich Wortspiele aus und hat von seinem Vater gelernt, den Dingen auf den Grund zu gehen. So weiß er, dass es Seeräuber sind, die dafür sorgen, dass es die Ebbe gibt, weil sie natürlich die See rauben.
Bühnenbildnerin Sabine Kreiter erschafft mit knappen Mitteln eine verwunschene Strandatmosphäre, in der sich die lebhafte Phantasie eines Siebenjährigen spiegelt. Hölzerne Buhnen, angespülter Müll sowie eine versteckte Schublade mit den allerwichtigsten Dingen wie dem Foto der Mutter, dazu das phantastische Fahrrad, erzeugen ganz unaufgeregt eine magische Realität. Hinzu kommt eine weitere Ebene, die der Sehnsucht und des Trostes. Das Lied der Meerjungfrau durchwebt die Aufführung, weil es live von der Harfe kommt. Die Harfenistinnen Simone Seiler und Ute Blaumer vom Philharmonischen Orchester Hagen begleiten alternierend die Aufführung. In dieser Kombination von Sprachkunst und Harfenspiel wird aus einer guten Inszenierung eine außergewöhnlich gute.
Die Hagener Caritas begleitet die "Meerjungfrau in der Badewanne" fachlich. "Es ist wichtig, dass wir das Thema anpacken", sagt Anja Schöne. Die Produktion ist bis in die Details liebevoll gestaltet. Doro zum Beispiel wird durch einen Regenschirm verkörpert und ihre blöde allerbeste Freundin durch eine Zitruspresse. Die schwarze Witwe lebt in einem Schmortopf. Um seinen Arm trägt Philipp einen Verband. Wenn man ihn aufknöpft, entrollt sich ein Brief der Mutter. Die Witwe hat ihn auf die Idee gebracht, der Meerjungfrau eine Flaschenpost zu schicken, und die antwortet sogar.
Weil hier so viele Faktoren so eindrucksvoll zusammenkommen, wird die "Meerjungfrau in der Badewanne" auch zu einer Entwicklungsgeschichte. Denn eines Tages schafft Philipp es, sein geheimstes Geheimnis jemandem anzuvertrauen.
Trost der Fantasie – Saarbrücker Zeitung
21. Januar 2015
„Die Meerjungfrau in der Badewanne“ im Saarbrücker Theater Überzwerg
Von ask
Neu auf dem Spielplan im Kinder- und Jugendtheater Überzwerg ist das Stück „Die Meerjungfrau in der Badewanne“ von Tim Sandweg nach einem Roman von Koos Meinderts: Ein Mann alleine in einem Badezimmer, eine Stunde lang. Man sieht von ihm erst nur die Füße; den Kopf unter Wasser, testet er, wie lange er ohne Luft auskommt. Fast fünf Minuten, denn er ist das Kind einer Meerjungfrau.
Darsteller Sebastian Hammer als siebenjähriger Philipp spielt sich schnell warm, agiert mit großer Körperbeherrschung und bringt die Kinder im Zuschauerraum durch kleine Gesten zum Lachen. Das Stück ist eigentlich traurig: Ein kluger allein erziehender Vater füttert die Fantasie seines Sohnes mit Geschichten so an, dass der eine Fabulierkunst entwickelt, die ihn das Gefühl des Verlassenseins gut tragen lässt. Seine Geschichten sind ihm Heimat. So erzählt er, seine Mutter, die Meerjungfrau, habe es an Land nicht mehr ausgehalten und ins Meer zurückgewollt. Sie schickt ihm sogar eine Flaschenpost. Philipp weiß, dass er die selbst geschrieben hat, er weiß auch, dass seine Mutter wohl Selbstmord begangen hat. Er sucht sein Geheimversteck in den Dünen auf oder besucht eine alte Witwe, die zu ähnlichen Mitteln greift, indem sie mit Wäsche auf der Leine ihrem verschollenen Mann eine Anwesenheit gibt. Ein Mädchen seiner Klasse wird ihm zur Freundin „im Geheimen“.
Das Stück ist ein Plädoyer für die Fantasie, den Trost aus dem eigenen Kopf, denn Philipp betäubt sich nicht, er lebt. Die jungen Zuschauer empfanden Philipp als fröhlich, er sei nett zu allen Menschen. Und das waren einige – alle von Hammer selbst gespielt, überzeugend mit starker Körpersprache.
Die Meerjungfrau in der Badewanne – Saarländischer Rundfunk, Saartext
19. Januar 2015
Theaterkritik von Julian Schneider
Manchmal ist die Wirklichkeit schwer zu begreifen. Deshalb verpackt Philipp sie in seine Geschichten. Seine Mutter sei etwa eine Meerjungfrau, die sich, vom Heimweh gepackt, in die Fluten stürzte. Amüsant monologisierte Dialoge, lebendiges Erzählen, Freude am Spiel: Im Alleingang zieht Schauspieler Sebastian Hammer das Publikum in den Bann. Dazu ein wunderbar vielseitiges Bühnenbild. Musik und Geräusche zeichnen pointiert Lebenswege nach. Oft lustig, aber mit unterschwelligem Ernst, setzt sich das Stück auf kindliche Weise mit dem Leben in all seinen Facetten auseinander.