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Presse - Peter Hugge
Nackte Haut und echte Tränen – Neue Szene Augsburg
13. Februar 2010
von wis
Der Dame links vorne rinnt eine Träne übers Gesicht, der Herr in der hinteren Reihe nickt zustimmend. Schweigen, knisternde Spannung. Wenn ein Publikum so bewegt ist, hat der Autor einen wunden Punkt getroffen. "Verbrannt", ein halbwegs biografisches Dreiecks-Drama des Dänen Peter Hugge um Ruth Berlau, Bert Brecht und Helene Weigel, kam im S'ensemble Theater in Regie von Sebastian Seidel zur deutschen Erstaufführung (Übersetzung: Louise Emcken und Egon Netenjakob) - kurz nach dem Brecht-Festival.
Dort kam es nicht zum Zuge, weil den Brecht-Nachkommen die dramatische Ausdeutung nicht geschmeckt hat. Etwa die Darstellung Brechts als romantischer Polit-Idealist, fast nives "Träumerle". Gefühlsduselig und schwach, eine Marionette in Händen starker Frauen. So steht Ruth Berlau hier im Mittelpunkt - eine Frau, die in den schweren Jahren im Exil zu Brecht hielt. Die eisern kämpfte um BB - gegen Ehefrau Helene Weigel. Und die schließlich verrückt wurde und starb.
Tinka Kleffner gibt in Augsburg die dänische Schriftstellerin, Schauspielerin, Regisseurin und Fotografin, die zu Tränen rührt. Über zwei Stunden spielt sich die Münchner Schauspielerin in Rage, Wut und Wahnsinn. Sie weint und legt sich offen dar - gänzlich nackt den Krper, entblößt die Seele. Vor Publikum verbrennt das Genie Berlau - und keiner kommt dagegen an. Beeindruckend. Ebensp Daniela Nering, die stark wie ein Fels Helene Weigel mimt, eine Ehefrau mit Mutterinstinkt. Ronald Hansch als Brecht bleibt da kaum Spielraum, er wird zur Nebenfigur. Keine leichte Rolle!
Einfühlsam, wor die Darsteller ist auch Seidels Inszenierung: filigran und detailsicher. Eine minimalistische Bühne mit maximaler Wirkung. Alles, inklusive der Kostüme, ist an die 40er Jahre angelehnt - reduziert, ursprünglich, existentiell. Der Dichter Brecht taucht hie und da auf, in poetischen, ruhigen und unaufdringlichen Zitaten und Liedern. Und allen im Zuschauerraum ist klar, worum es hier geht: Um den so schwer zu lebenden Traum von Freiheit ohne Besitzansprüche, um den Widerspruch von Idealismus und Realität. Grandios!