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Presse - Love Movie Theater von Sebastian Seidel

Hupkonzert statt Standing Ovations: Auto-Theater kommt an – Göttinger Tageblatt

25. Mai 2020

von Tobias Christ

Live durch die Frontscheibe können Besucher das jüngste Stück des KAZ in Göttingen verfolgen. Gespielt wird „Love, Movie, Theater“. 

Theater im Auto sehen, funktioniert das? Die kurze Antwort: Ja. Wie aus einer Beziehung ein Krimi werden kann, hat das KAZ in seinem Stück „Love, Movie, Theater“ gezeigt. Es war ein besonderes Erlebnis, denn die Zuschauer besuchten das Schauspiel von Regisseur Sebastian Seidel als Autofahrer. Der Ton kommt über Mikrofon und Lautsprecher, die Sicht durch die Scheibe ist eine ungewohnte, doch Spaß macht der Blick auf das neuartige Kulturangebot allemal. Und – im Gegensatz zu den Darstellern im Freilufttheater – sitzt man bei Regenschauern im Trockenen.

Auf dem Parkplatz der Göttinger Voigtschule wird seit Freitags mehrmals die Woche Auto-Theater gespielt. In dem Stück geht es um ein verliebtes Paar und um die Hoffnungen, die mit dieser Beziehung verknüpft sind. Erzählt wird aus beiden Perspektiven, in kurzen, stakkatoartigen Monologen. Von ihrer Sehnsucht nach einem perfekten Leben, von seiner wahnhaften Suche nach einem interessanten Leben, dem er früher oder später zum Opfer fallen wird. Was wie ein romantischer Film beginnt, entwickelt sich relativ rasch zu einem Krimi.

Schauspielerische Tour de Force

Die Schauspieler Laura Apel und Fabio Rocchio von "NichtnurTheater" überzeugen in dem knapp einstündigen Schauspiel über Liebe, Sehnsucht und Hass auf ganzer Linie. Besonders Rocchios Mimik sorgt aufgrund der räumlichen Nähe für Gänsehaut bei den Zuschauern: Denn wenn er mit Wahnsinn in den Augen durch die Reihen spaziert und von außen durch die Scheiben blickt, sieht man den ganzen Schmerz, den der namenlose Erzähler spürt, in seinen Augen. Der junge Mann liefert eine schauspielerische Tour de Force par excellence ab.

Besonders eindrucksvoll wird die Leistung, wenn das Wetter plötzlich nicht mehr mitspielt: Während Roccio über Sehnsucht spricht und sich dabei das (Kunst-)Blut von den Armen abwäscht, fängt es kurzzeitig an zu regnen - passender geht es kaum. Bei dem kurzen Schauer verziehen beide Schauspieler keine Miene und lassen sich von den herabprasselnden Tropfen nicht ansatzweise irritieren.

Das Bühnenbild ist minimalistisch, doch stimmig: Das alte Sandsteingebäude auf dem Hof der Voigtschule fungiert als Umkleide für den Hemdwechsel, einige Europaletten fungieren als Sofa - den Rest erledigen die Schauspieler. 

Liebesfilm wird zur Tragödie

Ob ihr Leben ein Film oder eher eine Serie mit sich ständig wiederholenden Szenen sei, fragt sich die weibliche Protagonistin Öfters - und diese Wiederholung zeigt sich auch in den teils repetitiven Szenen. So stellt er mehrmals die Frage, ob man etwas verändern müsse, ihre innere Antwort steigert sich im Laufe des Stückes von Zögern zur Ablehnung bis hin zu blankem Hasse. Plötzlich verändert sich die Lautstärke der Unterhaltung, was als zögerliches Liebesspiel und "ideale Beziehung" beginnt, wird zu einem Streit. 

"Manchmal habe ich das Gefühl, in meinem Leben läuft alles wie im Film ab", äußert die Protagonistin zu Beginn der Aufführung. Am Ende wünscht sie sich, dass es ein Krimi und keine Liebesgeschichte ist. Doch auch nachdem sich beide trennen, kommen Sie nicht voneinander los. Und so endet das Stück, wie es anfängt mit einem grausamen Akt, der aus einem mLiebesfilm eine Tragödie werden lässt. 

Love Movie Theater – Westfälische Nachrichten

17. Juni 2012

Rückwärtsfahrt durch die Gefühlswelten - "Love Movie Theater": Paar in der Krise

Münster - Das Stück endet, wie es begann. Abspann gleich Vorfilm, projiziert in der angedeuteten Kulisse einer spärlichen Privatsphäre. Einmal Karussellrückwärtsfahrt durch die Gefühlswelten. Perpetuum Mobile, angetrieben durch Vorwürfe und Wunschdenken. Sie: „Ich hasse es.“ Er: Was? Sie: „Dieses Gespräch.“

Von Gerold Marius Glajch

 

Sie und er passen klasse – aber nur noch gegeneinander. Aneinander vorbei hat man sich noch viel zu sagen. „Love“ eben, oder vielmehr „Love Movie Theater“. Sie und Er. Mann und Frau. Mehr Namen wollte Autor Sebastian Seidel (Jahrgang 1971) seinen beiden Protagonisten nicht geben. Poetisches Theater eben, bar jeder Redundanz: kein Wort zu viel, kein Satz überflüssig. Dazu ein pointiertes Pianospiel der Koreanerin Usong Lee, die mit magischen Tönen eine Stimmung erzeugte wie in Kubricks „Eyes Wide Shut“, Schnitzlers Traumnovelle.

Was Imke Zimmermann und Sebastian Renczikowski unter der Regie von Enrico Otto aus diesem knapp einstündigen Dialog gestaltet haben, nötigt größten Respekt ab. Mann: immer verzweifelt, weil hilflos verliebt in diese Frau. Sie: pausenlos kämpfend um diese Liebe, an die sie nur glaubt, da sie es unbedingt will. Selbstmitleid und Erniedrigung bei ihm. Euphorie bis zu hysterischen Reaktionen bei ihr. Da fliegt auch schon mal ein Stuhl so durch die Szenerie, dass die Zuschauer aufspringen möchten. Imke Zimmermann hat sich während ihrer Arbeit am „theaterlabor“ zu einer Darstellerin entwickelt, deren Vielfalt und Verwandlungsfähigkeit nichts mehr mit Studenten- oder Laientheater gemein hat. Ihre Sätze schießen wie Pistolen, ihre Aktionen kommen punktgenau. Da ist es schwer, sich als Mitspieler zu behaupten.

Nicht jedoch für Sebastian Renczikowski. Obwohl in der Vergangenheit nicht so im Vordergrund der Theatergruppe, verkörpert er den Typus des Mannes ohne besondere Eigenschaften mehr als glaubhaft. Er hat nur seine Liebe zu einer Frau, die sich in der Traumwelt einer Seifenoper glaubt und beim Erwachen erfährt, dass sie keinen Hauptdarsteller erwischt hat. Das will sie ändern. Ein Krimi wäre spannend. Mord. Er, schon tot, darf aber noch laut denken: Ein Trugschluss, dass mein Leben auf einer wahren Geschichte beruht.