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Presse - (IM)POTENCIA von Veronika Susanne Bökelmann, Anett Vietzke

Land der Gitterstäbe – Neues Deutschland

27. April 2010

Zur Uraufführung am 24.04.2010 in den Sophiensaelen, Berlin

 »(IM)POTENCIA« holt die Argentinische Wirtschaftskrise auf die Bühne

Von Lucía Tirado

Also das war anders. Das lässt sich kaum vergleichen, wird man von Wirtschaftsexperten hören. Auch die jetzige Situation in Griechenland trifft's nicht. Die große Wirtschaftskrise in Argentinien zwischen 1998 und 2002 hatte ihre Spezifik. Für die Mehrheit der Bevölkerung allerdings kann es ziemlich wurscht sein, ob sie wegen dieser oder jener ökonomischen Spezifik ihr Geld verliert. In Argentinien traf es zum Millenniumswechsel die Mittelschicht und die kleinen Leute, die ihre Ersparnisse nicht in Dollar angelegt und nicht ins Ausland transferiert hatten.

Mit Macht und Ohnmacht bei der Argentinien-Krise befasst sich die Produktion »(IM)POTENCIA« des Künstlerkollektivs Volumen Express and friends in den Sophiensaelen. Konzipiert und umgesetzt wurde das von Veronika Susanne Bökelmann und Anett Vietzke gemeinsam mit den argentinischen Tänzerinnen Juliana Piquero und Tamara Saphir und acht Filmern.

Dazu findet sich jeweils ein Mensch im Publikum, der diese Krise erlebt hat. Die Künstlerinnen konzentrieren sich auf das Jahr 2001, in dem die Krise auf dem Höhenpunkt war und schufen dafür nach eigenen Worten eine Mischung von Installation, Theater und visueller Kunst. Die auch vom Haupstadtkulturfonds geförderte Inszenierung trägt den Charakter einer szenischen Dokumentation. Auch wenn keine Weinerlichkeit im Spiel ist, kann einem das kalte Grausen kommen.

Das Publikum kommt für 75 Minuten hinter Gitter. Es sitzt in einem »Corralito«, was einem großen Hühnerkäfig gleichkommt. Dieses Wort wurde in Argentinien zum Begriff für alles, was man vor der Bevölkerung schützen will. Für die hohen Gitter beispielsweise vor Banken und Staatsgebäuden. »(IM)POTENCIA« stützt sich auf Interviews. So sieht man in Filmaufnahmen nicht nur den Hubschrauber des sich seinerzeit absetzenden Regierungschefs oder Plünderungen von Geschäften, sondern auch die Eltern der beiden Argentinierinnen und Bewohner von Buenos Aires, während deren Worte vorgetragen werden. Es geht um die Erfahrungen und Empfindungen des Einzelnen, der solch ein gesellschaftliches Drama erlebte, der vor dem Automaten stand, aus dem plötzlich kein Geld mehr kam und der hinnehmen musste, dass der Staat, der ihn beschützen sollte, ihn abkassiert. Es geht um die Zerbrechlichkeit persönlicher Lebenspläne.

Die Erkenntnisse der Befragten ähneln sich. Bis heute ist das Leben kaum bezahlbar, sagen sie. Nach solch einer Zeit wisse man, dass die Politiker wirklich so korrupt sind, wie man meint. Und dass das Leben wirklich trotzdem
weitergeht. Da geht es um Menschen, die lange Zeit aus Angst ihr Haus nicht mehr verlassen konnten und um einen Schmied, der wahrscheinlich bis ans Ende seiner Tage Gitter produzieren wird. Bis in die fünfte Etage müsse man
seine Fenster vergittern, heißt es. Diebe seien heute Spidermans.

Es geht um einen Psychologen, der Zettel verteilte und verzweifelten Menschen seine Hilfe für umgerechnet 12 Euro die Stunde anbot. Geld allein ist nicht das Glück, verkündete er. Es stellte sich heraus, dass jener Señor Grimoldi selbst so gut wie nichts an die Krise verlor, weil er sein Kapital in Uruguay deponiert hatte. Zynisch werden die Qualitäten eines großen Pappkartons vorgeführt, in dem man gut leben könnte. Auch springen die beiden Tänzerinnen am Ende gegen den Käfig an, um damit Protest und Wut Ausdruck zu verleihen.

Aber die Rede ist auch von Solidarität (...)